Ein brisantes Gutachten aus Altmaiers Giftschrank

Am 16. Dezem­ber schaffte es eine SPIEGEL- Recherche, die Coro­na-Dom­i­nanz in den Medi­en zu durch­brechen: Im Zuge der Beratun­gen zum Ausstiegs­ge­setz für die Kohlever­stro­mung hat­te das Bun­deswirtschaftsmin­is­teri­um (BMWI) im Früh­jahr 2019 mehrere Gutacht­en in Auf­trag gegeben. Eines davon blieb ein Jahr lang unter Ver­schluss und stand auch den Par­la­men­tari­ern nicht für die Beratung des Geset­zes zur Verfügung.
Die Gutachter unter­sucht­en auf­trags­gemäß die Folge- und Rekul­tivierungskosten für aller deutschen Braunkohlere­viere, die sich bei ver­schiede­nen Kohleausstiegsp­faden ergeben wür­den. Sie kamen bezo­gen auf das Rheinis­che Revi­er zu dem Ergeb­nis, dass bei Ori­en­tierung an den Empfehlun­gen der Kohlekom­mis­sion ein Weg­bag­gern der Dör­fer in Garzweil­er nicht erforder­lich ist. Man hoffte wohl im BMWI, dass dieses heiße Eisen dann in der “Quar­an­täne” klammheim­lich abkühlen würde. Nur dem hart­näck­i­gen Nach­hak­en von Oliv­er Krisch­er beim Min­is­teri­um und dem Druck, den engagiert­er Jour­nal­is­mus erzeu­gen kann, ist es zu ver­danken, dass nun die Fak­ten auf dem Tisch liegen für eine bis­lang aus­geklam­merte Option. LINK SPIEGEL-Artikel

Kurzgefasst: Die Ergebnisse der BET- Studie

Die Studie wurde fed­er­führend vom Aach­en­er Büro für Energiewirtschaft und tech­nis­che Pla­nung (BET) und den Wirtschaft­sprüfern von Ernst & Young (EY) bear­beit­et. Fach­ex­per­tise liefer­ten zwei weit­ere Aach­en­er Gutachter: Für die Tage­bau bezo­gene Pla­nung wur­den die Berg­bau­plan­er der Fumin­co GmbH ein­be­zo­gen, die wasser­wirtschaftlichen Aspek­te unter­suchte die ahu GmbH — Wass­er Boden Geomatik.

Fünf Stufen der Studie: Von den Empfehlun­gen der Kohlekom­mi­sion (KWSB) bis zu den Kosten

Bemerkenswert ist zunächst das Ref­eren­zszenario, das den „Busi­ness as usu­al“- Ver­lauf der Kohlever­stro­mung bis zum Ende 2050 kalkuliert, d.h. Abschal­tung der Kraftwerke nach Ende ihrer tech­nis­chen Lebens­dauer (40 bis 55 Jahre). Bezo­gen auf Garzweil­er II ist hier­nach eine deut­liche Reduzierung der zu fördern­den Kohle­men­gen gegenüber den aktuell erre­ich­baren Vor­räten zu erwarten (ca. 200 Mio.t weniger). Dies würde bere­its den Flächen­ver­brauch soweit ver­min­dern, dass die Dör­fer am nördlichen Rand des Tage­baufeldes (Keyen­berg, Kukum und Unter­westrich) über­leben könnten.

Ref­eren­zszenario: Gewin­nungs­böschun­gen (grün) und Kohle­bere­ich (weiß)
Ausstiegsszenario in der Phase der Kohlegewin­nung in Garzweil­er II

Das Ausstiegsszenario fol­gt weit­ge­hend 1:1 den Empfehlun­gen der Kohlekom­mis­sion. Trotz großer Reduzierung der Kohlegewin­nung in Ham­bach (von 500 auf nur noch 200 Mio.t) erlaubt dieser Ausstiegsp­fad bei Garzweil­er II eine weit­ere Reduzierung der Tage­bau­fläche, die alle 6 Ortschaften erhal­ten würde. Dies ist schon real­isier­bar, wenn die dor­tige Kohleent­nahme ger­ade mal 50 Mio.t reduziert wird (vgl. Tabelle). Der Abraum zur Rekul­tivierung ist nach den Hochrech­nun­gen auch dann noch in aus­re­ichen­dem Maß vorhanden.

Es gibt jedoch einen Punkt in dem Gutacht­en, der nicht zur Klärung ein­er wichti­gen offe­nen Frage beiträgt: Das Ausklam­mern des Tage­bau Inden aus den Betra­ch­tun­gen hat­ten wir schon bei unser­er Stel­lung­nahme zum Entwurf der Leit­entschei­dung kri­tisiert. An dieser Stelle ca. 100 Mio.t gut erschlossene Kohlevor­räte ohne Not im Boden zu lassen und dann an ander­er Stelle große Not zu erzeu­gen, ist uns nicht nachvollziehbar.

Eine Ver­schiebung der Auskohlung zwis­chen den drei Tage­bauen wird zum einen durch die Laufzeit­en der einzel­nen Kraftwerks­blöcke bes­timmt. Zum anderen gibt es existierende Trans­portwege auf der Schiene, welche eine flex­i­blere Anpas­sung ermöglichen:  Ein Trans­port von Abraum­ma­te­r­i­al aus Ham­bach nach Inden war seit langem Basis der Pla­nung der Wieder­nutzbar­ma­chung — ist also tech­nisch möglich. Der Gleisan­schluss von Weisweil­er kann auch in die andere Rich­tung bedi­ent wer­den, um Kohle zu den anderen Kraftwerks­stan­dorten zu transportieren.

Ein politisches Resümee zur Bewertung der Studie von BET u.a.

Die von der Daten­ver­ar­beitung in einem dig­i­tal­en Tage­bau­mod­ell abgeleit­eten Schlussfol­gerun­gen der BET- Studie sind plau­si­bel und nachvol­lziehbar doku­men­tiert. Die Unsicher­heit­en liegen, wie auch die Autoren an ver­schiede­nen Stellen benen­nen, in Fol­gen­dem: „Detail­lierte – nicht öffentliche – Betreiber­dat­en kon­nten auf Wun­sch des Auf­tragge­bers bei den Unternehmen bzw. Behör­den nicht ange­fragt wer­den und standen damit nicht zur Ver­fü­gung.“ (S. 18)

Diese Ein­schränkung der Infor­ma­tions­beschaf­fung für unab­hängige Gutachter ist schon sehr befremdlich – mehr noch, dass die Ergeb­nisse der Studie den Par­la­men­tari­ern im Geset­zge­bungsver­fahren trotz Nach­frage voren­thal­ten wur­den. Auch der Hin­weis in der Presse auf ein internes Memo des Bun­deskan­zler­amts, dass „die Absicherung von Garzweil­er II“ ein „zen­trales Anliegen von RWE/NRW“ gewe­sen sei, macht uns stutzig.

Es ist höch­ste Zeit, dass die Lan­desregierung sich so ver­hält, dass klar wird, dass sie sich mit mehr als nur einem Schrägstrich von RWE tren­nen lässt.

  • Was im BMWI ver­säumt wurde, muss die Lan­desregierung NRW jet­zt nachholen. 

Für die anste­hende neue Leit­entschei­dung muss der unab­hängige Sachver­stand aus der BET Studie ein­be­zo­gen wer­den. Ein Update der Studie, das den jet­zt in Berlin beschlosse­nen Ausstiegsp­fad allen anderen tech­nisch mach­baren Alter­na­tiv­en gegenüber­stellt, kann das Land zur Klärung der offe­nen Fra­gen beauf­tra­gen. Der Aufwand und der Zeitbe­darf ist über­schaubar, da der größte Teil der Dat­en und die Kalku­la­tion­swerkzeuge bere­its existieren.

Dabei kann dur­chaus her­auskom­men, dass die aktuell poli­tisch favorisierte Lösung für den Betreiber der Kraftwerke und Tage­baue die betrieb­swirtschaftlich gün­stig­ste ist. Sowie die Geheimver­hand­lun­gen für das Gesetz ver­laufen sind, kann man dies sog­ar fast erwarten. Dann ste­ht aber die Frage im Raum:

  • Wer trägt die eventuellen Mehrkosten ein­er Lösung, die aus anderen Grün­den zu favorisieren wäre, z.B. um Leben­sräume zu erhal­ten und die Umwelt zu schonen?

Dies ist nur poli­tisch zu entschei­den. Bis dahin müssen aber zuerst belast­bare Kalku­la­tio­nen von unab­hängiger Seite auf dem Tisch liegen.

Wir sind sich­er: Die Men­schen im Land NRW sind nur dann bere­it, eine kom­mende Leit­entschei­dung der Lan­desregierung mitzu­tra­gen, die nicht den Ein­druck erweckt, Ergeb­nis ein­er erfol­gre­ichen Lob­b­yarbeit der RWE zu sein. Dann kann der Frieden im Revi­er einkehren, den wir uns doch alle vom neuen Jahr nur wün­schen können.

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