Wir haben eine Antwort zu unserer Beschwerde bei der EU zum Bau des neuen, unsicheren Zwischenlagers in Tihange bekommen.
Beim ersten, schnellen Lesen erfahren wir, dass die deutschen Behörden angeblich überhaupt nicht auf die Aufforderung des Belgischen Staates zur Stellungnahme reagiert haben. In der Stellungnahme der NRW Landesregierung zu unserer Anfrage vom 03.06.20 liest sich das allerdings so:
Mit Schreiben vom 30.11.2020 teilt uns das NRW Umweltministerium mit, dass die nationale UVP der Belgier behauptet: “Die (belgische) Prüfung kommt zu dem Ergebnis, dass grenzüberschreitende Umweltauswirkungen nicht zu besorgen sind. Dieses Ergebnis ist im Detail in der Umweltverträglichkeitsstudie sowie des Weiteren in der nichttechnischen Zusammenfassung der Umweltverträglichkeits- Studie niedergelegt… Eine grenzüberschreitende Beteiligung wurde demnach nicht durchgeführt.
Das MULNV bedauert diese Entscheidung und wird gemeinsam mit dem MWIDE und dem Innenministerium die bestehenden Kontakte im Rahmen der Gremienarbeit auf Expertenebene (insbesondere die deutsch- belgische Nuklearkommission DBNK) nutzen, um seinem Bedauern gegenüber dieser Vorgehensweise Ausdruck zu verleihen. Ferner soll im Rahmen der DBNK gemeinsam mit dem Bund darauf hingewirkt werden, im Fall weiterer Vorhaben zur Errichtung von Zwischenlägern am Verfahren beteiligt zu werden.”
Die Antwort, die wir von der Rheinland-pfälzischen Landesregierung erhielten, geht noch einen Schritt weiter. Dort hatte man von der bundesweit zuständigen Stelle, dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), die Nachricht erhalten:
“Eine Beteiligung oder Information des BASE durch die belgischen Behörden ist nicht erfolgt. Die zuständige Genehmigungsbehörde AFCN (belg. Atomaufsicht) ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen ist, da ihrer Einschätzung nach mit dem Vorhaben keine erheblichen grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen verbunden sind.”
In der Ablehung unserer Beschwerde bei der EU heißt es allerdings:
„Aus dem Königlichen Erlass vom 26. Januar 2020 ergibt sich, dass die deutschen Behörden von den belgischen Behörden über die Projekte informiert und zur Teilnahme am Genehmigungsverfahren für das Lager aufgefordert wurden, die deutschen Behörden dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen sind… Unabhängig davon, ob die Konsultation auf freiwilliger Basis erfolgte oder nach der UVP Richtlinie (und den Übereinkommen von Aarhus und Espoo) gesetzlich vorgeschrieben war, haben die belgischen Behörden den deutschen Behörden die Möglichkeit gegeben, zu dem Projekt Stellung zu nehmen und sich an der öffentlichen Konsultation zu beteiligen. Aus diesen Gründen wird Ihre Beschwerde in Bezug auf einen Verstoß gegen die einschlägigen EU-Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung von Projekten, die unter die UVP-Richtlinie fallen, nicht weiterverfolgt.“
Wer sagt hier die Wahrheit?
Gleich am Anfang des EU- Schreiben wirft man uns belehrend vor:
“Unter Berufung auf die Richtlinie über die nukleare Sicherheit verweisen Sie außerdem auf angebliche Mängel bei Auslegung und Standort, machen dabei jedoch keine Angaben darüber, gegen welche spezifischen Bestimmungen die belgischen Behörden Ihrer Ansicht nach verstoßen haben.”
Sehr geehrter Herr Ion Codescu (zuständiger Referatsleiter bei der EU- Kommision),
was erwarten Sie von uns? In Ihrem digitalen Beschwerdevordruck erlauben sie gerade mal 7.000 Zeichen Text, den wir großenteils ausgefüllt hatten. Darin gaben wir ganz konkrete Hinweise darauf, dass der Sicherheitsbericht des Betreibers, den die FANC genehmigt hatte, große Lücken und Fehleinschätzungen aufweist, gemessen an den ansonsten in der EU üblichen aktuellen technischen Standards . Nur drei Beispiele:
- Die mögliche Belastung des Gebäudes durch einen Flugzeugabsturz wird nachweislich gewaltig unterschätzt — und zwar gemessen an den realen Flugbewegungen des Flughafens Bierset in unmittelbare Nähe.
- Das Fehlen einer heißen Zelle im Lager, die es ermöglicht, Castoren nach Ende ihrer Lebensdauer vor Ort in neue Behälter umzupacken. Notwendig bei einer geplanten Betriebsdauer von 80 Jahren.
- Das Thema terroristische Bedrohung, das gerade in Belgien für Schlagzeilen sorgte, wurde im Sicherheitsbericht völlig ausgeklammert.
Die aktelle Fassung der Recherche zu den bautechnischen Fragen kann man dem Vortrag des Bausachverständigen Robert Borsch-Laaks detailliert entnehmen. HIER downloaden.
Es mag ja sein, dass solche Tatbestände keine “spezifischen Bestimmungen” der EU-Richtlinie und des Euratom-Vetrages sind, auf die Sie Bezug nehmen. An andere Stellen schreiben Sie, “dass die EU-Richtlinien nur allgemeine Regeln und Ziele festlegen, den Mitgliedstaaten aber die Wahl lassen, wie sie diese Ziele erreichen. Daher beruht die Bewertung der mit dem Betrieb einer kerntechnischen Anlage in einem bestimmten Mitgliedstaat verbundenen Risiken auf dessen eigenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und anderen Anforderungen im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit, die sich von denen anderer Mitgliedstaaten unterscheiden können.”
Für eine verantwortungsvolle Prüfung der länderübergreifende Auswirkungen einer neuen kerntechnischen Anlage darf der Einsatz wissenschaftlich-technischer Expertise und Prüfung nicht vor den Landesgrenzen halt machen. Das hat der EuGH mit seiner Entscheidung zur Laufzeitverlängerung Doel 1 und 2 klargestellt. Ist das bei Ihnen in der Kommision noch nicht angekommen?
Genaueres mit allen Dokumenten unserer mittlerweile über zwei Jahre dauernden Bemühungen unsererseits kann man HIER nachlesen.