Appell an RWE und die Politik — Rettet den verbliebenen Hambacher Wald
Sehr geehrter Herr Schmitz, sehr geehrte Damen und Herren bei RWE, der RWE Power AG, der RWE Generation SE, sehr geehrter Herr Bundespräsident Steinmeier, sehr geehrte Bundeskanzlerin, sehr geehrte Bischöfe Wölki und Dieser, Präses Manfred Rekowski, Vizepräses Christoph Pistorius, sehr geehrter Herr Polizeipräsident Weinspach, sehr geehrter Herr Vassiliadis, sehr geehrter Herr Laschet,
Ende September 2017, die Bundestagswahl ist vorbei. Die Wogen glätten sich, es ist höchste Zeit, endlich wieder an die politische Arbeit zu gehen.
Die täglichen Nachrichten sind erschreckend. Zerstörerische Hurrikans in der Karibik, katastrophaler Monsun in Asien, in den Alpen kollabieren ganze Bergstöcke, gigantische Eismassen lösen sich von der Arktis, große Teile Berlins stehen gleich zweimal in diesem Sommer unter Wasser, die „Jahrhundertereignisse“ geschehen im Monatstakt.
Klimawandel? Sogar in der Republikanischen Partei der USA wird jetzt ein Zusammenhang zwischen menschlichem Einfluss und all diesen Katastrophen nicht mehr ausgeschlossen.
„Wenn wir nicht umkehren, gehen wir unter“. Das sagte Papst Franziskus unlängst auf der Rückreise aus Südamerika. Gemünzt war dieser Satz auf den menschengemachten Klimawandel.
Am 6. November beginnt in Bonn die Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP23. Bis zu 30000 Delegierte aus der ganzen Welt werden dort zusammen kommen und über die Zukunft des Weltklimas beraten. Über nicht mehr und nicht weniger als über eine Überlebensfrage der Menschheit.
Und was passiert hier bei uns im Rheinischen Revier? Im Hambacher Forst beginnt die Rodungssaison. Zwischen Oktober 2017 und Februar 2018 sollen erneut bis zu 80 Hektar des einstmals größten Waldes des Rheinlands unwiederbringlich vernichtet werden.
Im Jahr 2016 ist der RWE-Ableger innogy an die Börse gegangen. Begleitet von einer gigantischen Werbe-Kampagne, kreativ und modern gestaltet. RWE setzt mit innogy auf erneuerbare Energien, „zum Wohle unserer Kinder“, wie es in einem Spot heißt.
Nichtsdestotrotz wandert der Braunkohletagebau Hambach weiter nach Süden. Nichtsdestotrotz bleibt das Rheinische Revier einer der weltweit größten CO2-Produzenten der Welt. 4 der 7 dreckigsten Kraftwerke in Europa stehen im Rheinischen Revier, befeuert vor allem mit Braunkohle aus dem Tagebau Hambach.
Die Kohlekraftwerke mit ihren enormen CO2-Emissionen sind ein großer Stolperstein für die Klimaschutzziele Deutschlands und Europas. Die Internationale Energieagentur hat unlängst vorgerechnet, dass Europa seinen Kohlestromanteil zur Einhaltung des eigenen CO2-Reduktionsziels bis 2035 auf vier Prozent absenken müsste. Bis vor kurzem stammte allerdings noch ein Viertel des europäischen Stroms aus Kohlekraftwerken. Die Energieerzeugung durch veraltete Kohlekraftwerke ist für die Betreiber deutlich attraktiver als teure Investitionen in effiziente und weitaus klimafreundlichere Gaskraftwerke. Ursprünglich als Brückentechnologie der Energiewende geplant, verschwinden letztere immer mehr aus dem deutschen und europäischen Kraftwerkspark.
Der Tagebau Hambach steht wie kein anderer für diese Fehlentwicklung.
Das Land NRW und der Energiekonzern RWE halten an den nunmehr über 40 Jahre alten Genehmigungen und Abbauplänen fest, die das Klima zerstören, Menschen aus ihren Dörfern vertreiben und den Tod dieses Waldes endgültig besiegeln.
Dabei wäre es hier möglich, ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen aus Deutschland für das Ende des fossilen Zeitalters. Der Hambacher Wald ist ein Symbol, das inzwischen weltweit Beachtung findet. Und so würde auch die Rettung der verbliebenen 10 Prozent dieses Waldes ein ebenso weltweites Echo finden.
In den vergangenen Jahren wurden große Waldflächen gerodet, das Tagebauvorfeld kontinuierlich vergrößert. Förderung von Braunkohle bleibt für Jahre möglich, ohne den letzten Rest des Hambacher Waldes zerstören zu müssen. In Kürze werden mehr und mehr Kohlekraftwerksblöcke abgeschaltet, der Anteil erneuerbarer Energien steigt rasant. Dadurch werden die notwendigen Förderkapazitäten kleiner.
Beim Hambacher Wald handelt es sich um einen Stieleichen-Hainbuchen-Maiglöckchen-Wald, in dieser Zusammensetzung einzigartig in Europa. Ein schützenswerter Wald, der unter die Flora-Fauna-Habitat Richtlinie fällt. Natura 2000 Code 9160.
Als Naturführer und Waldpädagoge biete ich seit dreieinhalb Jahren monatliche Führungen im Hambacher Wald an. Dazu kommen vermehrt private Buchungen von Betrieben, Lehrerkollegien, Schulklassen, kirchlichen Einrichtungen, Naturschutzverbänden, Hochschulinstituten. Alleine in den kommenden Wochen werden Gruppen aus Kolumbien, von den Fidschi-Inseln, von diversen Universitäten im Wald unterwegs sein. Während der Klimakonferenz COP23 wird es tägliche Führungen geben. Mehr als 9200 Menschen jeglicher Herkunft und jeden Alters waren bisher dabei, von Kindern und jugendlichen Umweltaktivisten bis zu sehr alten Menschen und RWE-Mitarbeitern. All diese Menschen wollen sich ein Bild machen, was hier im Rheinischen Revier zwischen Aachen und Köln passiert. Am 15. Oktober, 12. November und 10. Dezember gibt es die nächsten Waldspaziergänge. Auf den Führungen geht es mir darum, Bilder zu zeigen und Gespräche in Gang zu bringen, die es ansonsten nicht gäbe.
Alle Adressaten dieses Briefes sind selbstverständlich dazu eingeladen, an diesen Spaziergängen teilzunehmen.
Das Presseecho ist überwältigend, von den Aachener und Kölner Zeitungen bis zu WDR, ARD, ZDF, arte, Spiegel, Zeit, FAZ und dem belgischen Rundfunk, um nur einige zu nennen, das Interesse wird immer größer.
Auch der Widerstand gegen die Braunkohleverstromung wächst stetig, Klimacamps und Aktionen des zivilen Ungehorsams werden mehr. Eine Petition zum Rodungsstopp im Hambacher Forst wurde bisher von mehr als 35000 Menschen unterzeichnet. Am 4. November werden in Bonn hunderttausende TeilnehmerInnen unter dem Motto “Klima schützen — Kohle stoppen!” auf die Straße gehen.
Die Menschen merken, dass es genügend Alternativen zur Stromerzeugung aus Braunkohle gibt. Alleine die Kapazität der in Deutschland stillstehenden Gaskraftwerke ist ausreichend, alle Kohlekraftwerke ohne den berühmten Blackout sofort abschalten zu können. Gas ist nicht die perfekte Lösung, aber wegen der Flexibilität der entsprechenden Kraftwerke genau die Brückentechnologie, die wir für eine konsequente Energiewende brauchen.
Wie ist die Situation im Rheinischen Revier, rund um den Tagebau Hambach und den Hambacher Wald? Der BUND, Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland, hat in einem Eilantrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klagen gegen die bergrechtlichen Zulassungen zur Fortführung des Braunkohlentagebaus Hambach beantragt. Diese Klage wird am 17. Oktober vor dem Verwaltungsgericht Köln verhandelt.
RWE hat angekündigt, das Urteil abwarten zu wollen, das ist kein Zugeständnis, sondern eine juristische Selbstverständlichkeit.
Und aktuell ist bekannt geworden, dass es ebenfalls keine Rodungsarbeiten vor und während der Weltklimakonferenz COP23 in Bonn geben wird. Erst nach dem Ende der Klimakonferenz soll die Vernichtung des Hambacher Waldes wieder aufgenommen werden.
Kann es ein, dass RWE die Weltöffentlichkeit scheut? Denn die Augen der Welt werden auf Deutschland schauen, vor Allem auf die Diskrepanz zwischen verkündeten Klimazielen einerseits, der oft zitierten Vorreiterrolle und der täglichen Praxis andererseits.
Die Bilder aus dem Rheinischen Revier werden um die Welt gehen.
Gleichzeitig bietet aber die Konferenz die einmalige Chance, glaubwürdige Zeichen zu setzen, tatsächlich zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz zu werden. Wir brauchen einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle. Es geht um unsere Zukunft, um die Zukunft unserer Kinder, um die Zukunft von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt.
Mein Appell an RWE, an die Politik, an die Kirchen:
- Stoppen Sie die Rodungssaison 2017/2018 im Hambacher Wald
- Melden Sie den Hambacher Wald endlich als Natura-2000-Gebiet an die EU!
- Tragen Sie dazu bei, Deutschlands CO2 — Bilanz zu verbessern, die Klimaziele zu erreichen und die Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen zu bewahren!
- Planen Sie den Kohleabbau im Tagebau Hambach so um, dass die verbliebenen 10% des Hambacher Waldes nicht unwiederbringlich vernichtet werden müssen
- Politik, Gewerkschaften, Kirchen und Konzerne sind aufgefordert, zukunftsfähige Pläne für das Rheinische Revier zu entwickeln. Ideen, wie der Hambacher Wald gerettet werden kann. Als Ausgangspunkt für neuartige Rekultivierungsverfahren. Für unsere Kinder. Als Zeichen an die Welt. Als glaubwürdiges Zeichen, wie ernst das Umsteuern in der Energieerzeugung gemeint ist.
- Tun Sie das zusammen mit den Menschen hier vor Ort. Die gut ausgebildeten Fachleute in den Braunkohletagebauen werden noch Jahrzehnte lang gebraucht, wenn die Bagger in wenigen Jahren still stehen.
Helfen Sie mit, den Hambacher Wald zu retten!
Mit freundlichen und optimistischen Grüßen,
Michael Zobel, Naturführer und Waldpädagoge aus Aachen
info@zobel-natur.de
Papst Franziskus schließt seine Enzyklika über den Schutz der Schöpfung mit zwei Gebeten. Hier ist das Erste: „Gebet für unsere Erde“
„Gebet für unsere Erde“
Allmächtiger Gott, der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert, mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein, damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden, damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen,
hilf uns, die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen, zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns, den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind
mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns bitte in unserem Kampf
für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.“
© Copyright – Libreria Editrice Vaticana