Gibt es eine Alternative für das Rheinische Revier?

Am Son­ntag, 06. Jan. 2019, waren unsere Vere­ins­mit­glieder Hen­ry Risse und Robert Borsch-Laaks bei der Mah­nwache in Erke­lenz zum Jahres­gedächt­nis der Zer­störung des Immerather Doms. Da sie bei­de Inge­nieure und Natur­wis­senschaftler sind, haben sie das gemacht, was der All­t­agsjob von tech­nis­chen Plan­ern ist: Mal die Größenord­nun­gen abschätzen, was ver­schiedene Alter­na­tiv­en an Effek­ten haben können.

Die ältesten ineffizienten Dreckschleudern abschalten!

Den Bewohn­ern der Orte wurde immer wieder erzählt, dass Ihre Umsied­lung notwendig sei, weil die Kohle für die Energiev­er­sorgung des Lan­des gebraucht würde. Diese grob vere­in­fachte Darstel­lung darf man get­rost anzweifeln, wenn man sich vor Augen hält, dass in 2018 ca. 70 Mrd. KWh Strom aus Deutsch­land exportiert wur­den. Um diese Strom­menge aus Braunkohle zu gewin­nen sind 60 Mio t notwendig. Das ist die etwa För­der­menge von zweien (!!) der drei Groß­tage­baue im Rheinis­chen Revier.

Es ist nahe liegend, als erstes die kleineren und ca. 40 Jahre alten 300 MW Blöcke mit schlechtem Wirkungs­grad — und damit auch dr größten Umwelt­be­las­tung — vom Netz nehmen (zusam­men 2.700 MW). 

  • Das würde ein­er Reduzierung der benötigten Kohle­menge von gut 20 Mio t/a entsprechen, ca. 2/3 der Förderung von Garzweiler. 

Blick in die nahe Zukunft

Wenn man Mitte der 2020er Jahre weit­ere Blöcke (in Summe ca. 3.000 MW) vom Netz nimmt, dann brauchen weit­ere 20 bis 25 Mio t weniger gefördert wer­den. Dann kön­nte ein Groß­tage­bau ganz still gelegt wer­den. Oder genauer betra­chtet: Bei diesem Stil­le­gungsszenario mit gesun­dem Men­schen­ver­stand, ergibt sich für die jährliche För­der­menge aus Garzweil­er eine Hal­bierung inner­halb weniger Jahre. Die ver­füg­baren Abbaufelder wür­den mehr als aus­re­ichen, ohne dass die bedro­ht­en Dör­fer und ihre Kirchen wegge­bag­gert wer­den müssen.

Die Prax­is von RWE ist eine ganz andere. Die gegen­wär­tige ober­flächige Abbag­gerung von alter A61 und den angren­zen­den Feldern erfol­gt nach Bericht­en der Anwohn­er derzeit in ein­er noch nie erlebten Hochgeschwindigkeit. Das schafft Fak­ten, die ein­er mutwilliger Vertrei­bung der dort leben­den Men­schen gle­ichkommt – egal was die Kohlekom­mis­sion beschließt. 

Gibt es eine andere Zukunft?

Die Erneuer­baren wer­den immer gün­stiger. Großflächenan­la­gen wer­den nach jüng­sten Auss­chrei­bungsergeb­nis­sen der Bun­desnet­za­gen­tur für weniger als 5 ct/kWh vergeben. Aber auch Kleinan­la­gen, z.B. auf dem eige­nen Haus­dach, kön­nen Solarstrom für 8 bis 10 ct/kWh erzeu­gen (Ten­denz fal­l­end). Wind­strom ist im Bin­nen­land sog­ar für 6 ct/kWh zu pro­duzieren. Aus dem Netz vom EVU kostet der Strom das Drei- bis Fünffache. 

Natür­lich soll­ten in den näch­sten Jahrzehn­ten die Erneuer­baren mas­siv aus­ge­baut wer­den. Als „Brück­en­tech­nolo­gie“ kön­nen vorhan­dene Gaskraftwerke (halb so großer CO2-Ausstoß wie bei der Braunkohle­ver­bren­nung) zur Über­brück­ung der „Dunkelflaute“ einge­set­zt wer­den. Dies erhöht neben­bei deren Wirtschaftlichkeit, weil sie dann nicht nur zur mor­gendlichen Spitzen­last­deck­ung einge­set­zt werden. 

Bürgeren­ergie, egal ob indi­vidu­ell oder in Genossen­schaften, war das Rück­grat der Energiewende in den let­zten 20 Jahren. Die Men­schen in diesem Land haben qua­si per Investi­tions-Volksab­stim­mung dafür gesorgt, dass zwei Drit­tel der EE-Net­tostromerzeu­gung aus bürg­ereige­nen Quellen stam­men. Das kann wieder beschle­u­nigt weit­erge­hen, wenn in diesem Land die Vor­gaben der neuen EU-Richtlin­ie unge­set­zt wer­den, die Beschränkun­gen und Benachteili­gun­gen für die Bürgeren­ergie abbauen sollen. Wir warten auf poli­tis­chen Willen. 

Aber die Arbeitsplätze?

Die in der Kohlever­stro­mung freige­set­zten Per­son­ale wer­den (nach Umschu­lung) drin­gend für den weit­eren Auf­bau der erneuer­baren Erzeu­gungska­paz­itäten gebraucht und natür­lich auch für die Tage­bau­rekul­tivierung und für die Nach­sorge.
Es ist durch viele Stu­di­en nachgewiesen, dass die dezen­tralen, alter­na­tiv­en Kleinkraftwerke pro erzeugter kWh einen weitaus höheren Beschäf­ti­gungsef­fekt aufweisen, als die Großkraftwerke, auch wenn sie „heimis­che“ Kohle schür­fen. Schon heute gibt es zehn­mal mehr Arbeit­splätze im Sek­tor der Erneuer­baren als bei der Braunkohlever­stro­mung.
Ähn­lich­es gilt für den Beschäf­ti­gungsef­fekt durch Investi­tio­nen in die Erhöhung der Effizienz bei der Energien­utzung. Gäbe es eine angemessene Besteuerung des CO2 Ausstoßes, dann kön­nte ein Heer von Inge­nieuren und Handw­erk­ern Arbeit find­en, um bei Indus­trie und Gewerbe den Bedarf an Kilo-/Mega-/Gi­gawattstun­den drastisch zu ver­ringern. Das wäre Wach­s­tum der pos­i­tiv­en Art. In diese Rich­tung muss der Struk­tur­wan­del gehen. 

Und die Kosten?

Allen kon­ven­tionellen Arten der Stromerzeu­gung ist gemein­sam, dass die soge­nan­nten „exter­nen Kosten“ z.B. durch Umwelt­be­las­tun­gen bei der Kohle oder der Mül­lentsorgung bei der Atom­kraft nicht in den Erzeu­gung­spreis einkalkuliert wer­den. Das sollen die kom­menden Gen­er­a­tio­nen bezahlen. 

Die neusten Veröf­fentlichun­gen der Umwelt­bun­de­samts bez­if­fern die Umweltkosten für unsere Volk­swirtschaft durch die Braunkohlever­stro­mung mit 21 ct/kWh. Das ist mehr als fünf­fache der (ange­blichen) betrieb­wirtschaftlichen Erzeu­gungskosten.
Als ver­gle­ich­bare externe Kosten z.B. für die Winden­ergie benen­nt das UBA 0,3 ct/kWh.

Noch Fra­gen?

Robert Borsch-Laaks und Hen­ry Riße, Ini­tia­tive 3 Rosen e.V., Aachen. www.3rosen.eu

https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/hohe-kosten-durch-unterlassenen-umweltschutz

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2 Kommentare

  1. Zwei Frage habe ich:

    Aktuell wer­den ca. 22,5 % (2017) der benötigten Energie aus Deutsch­land aus Braunkohle gewonnen.
    Das entspricht 174,33 TWh — im Bere­ich PV wer­den 39,94 TWh hergestellt.
    Wir müssen also das 4 Fache was wir jet­zt an PV haben noch zu bauen.
    Eine KWh im Bere­ich Steinkohle kostet: 4,59 — 7,98 Cent
    Eine KWh im Bere­ich PV kostet: 7,23 — 11,54 Cent
    Mehrkosten von 2,64 — 3,56 Cent also im mit­tel ca. 0,031 Euro die KWh.
    Woher sollen die dann fehlen­den 5,4 Mil­liar­den Euro kommen ?
    wir liegen aktuell zwis­chen 4 und 5 Cent die KWh das würde also eine Steigerung von 70% bedeuten.
    sind bei Strom Kosten von 1000€ im Pri­vat­en Bere­ich im Jahr ca. 700 € mehr. 

    Natür­lich rechne ich nur mit echt­en werten nicht mit irgendwelchen fik­tiv­en werten. 

    - 4 fach­es Wach­s­tum der bere­its vorhan­de­nen PV Fläche
    — Mehrkosten für die Pri­vat Per­son von 700 € im Jahr 

    Die Frage ist wer soll das bezahlen? Woher kom­men die Flächen für diesen Umbau ? Sollen Agrarflächen bebaut werden ? 

    Quellen / Datenherkunft : 

    https://www.strom-magazin.de/info/stromerzeugung-in-deutschland/
    https://de.wikipedia.org/wiki/Stromgestehungskosten

    Dazu passend Prog­nosen der Stromkosten:

    https://blog.energybrainpool.com/update-trends-der-strompreisentwicklung-eu-energy-outlook-2050/

  2. An die RWE- Konzernleiter,
    in der Hoff­nung, dass sie ihre von Prof­it und Kohle ver­staubten Blicke auch mal über ihren beschei­de­nen Teller­rand richt­en und beizeit­en hier reinschauen:
    Wir wer­den nicht weichen, nicht hüben, nicht drüben!
    Ham­bi bleibt!
    Ediel Vásquez — Porque esta tier­ra no está sola
    https://youtu.be/mFzdXBgPLTQ

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