+++ Mitglieder der Reaktorsicherheitskommission beruflich befangen +++ EDF-Framatome Erlangen/Lingen arbeitet für belgische AKWs +++ RSK-Chef verheddert sich beim Tihange/ Doel- Gutachten +++
Die folgenden Pressemitteilungen von Bürgerinitiativen, der IPPNW und dem NABU NRW zu den personellen Verbindungen zwischen RSK und Atomindustrie hat für erheblichen Medienrummel geführt. Zum Glück haben wir noch eine wachsame Presse und öffentlich-rechtliche Anstalten, die Verstrickungen im europäischen “Atomdorf” publiziert. Jenseits der berechtigten Zweifel an der fachlichen, wissenschaftichen Unabhängigkeit der Kommission lohnt es sich den umstrittenen Bericht zu lesen. Am besten mit kompetenter fachlicher Anleitung.
Verständlich und ausführlich vom Umweltinstitut München: Stellungnahme Dr. Philip Bedall
Vom Altmeister, Dr. Dieter Majer, der in seiner langen Dienstzeit im BMU noch seine Aufgabe “Schutz der Bevölkerung” ernst nahm. Stellungnahme Dr. Dieter Majer in AN/AZ
Und schließlich die Kritik des Leiters der baden-würtembergischen Atomaufsicht an Wielands Interpretation des RSK Berichtes hier als pdf zum Download: Brief Niehaus an Wieland
Erste Pressemitteilung vom Mi, 18.07.2018
Der Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission (RSK), Rudolf Wieland, hat bestätigt, dass mehrere leitende Angestellte ausgerechnet des Atomkonzerns EDF-Framatome in Erlangen an der heftig umstrittenen Stellungnahme zur angeblichen “Sicherheit” der belgischen Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 im federführenden RSK-Ausschuss “Druckführende Komponenten und Werkstoffe” (DKW) mitgewirkt haben. Dennoch machte Wieland gestern Abend in den Aachener Nachrichten irreführende Angaben zum offensichtlichen Vorliegen einer beruflichen Befangenheit: Denn laut § 10 der RSK-Satzung sind Mitglieder, die “gegen Entgelt” bei einem zu untersuchenden Unternehmen “beschäftigt sind” und in der “zur Beratung anstehenden Angelegenheit einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil haben (können)”, bereits von der Beratungstätigkeit an sich auszuschließen und nicht erst von den Abstimmungen.
Eine Befangenheit liegt hier eindeutig vor: Erstens, Framatome Erlangen modernisiert zur Zeit u. a. die Sicherheitsleittechnik von Doel 1 und 2. Zweitens, die Framatome-Tochter ANF im niedersächsischen Lingen liefert seit Jahren die Brennelemente für Doel 1, 2 und 3 sowie für Tihange 2. Ohne die Aufträge aus Belgien stünde die Framatome-Brennelementefabrik in Lingen wahrscheinlich vor dem Aus. Drittens ist EDF zudem Miteigentümerin mehrerer Reaktorblöcke in Belgien, darunter auch Tihange 2 und Doel 3.
Anti-Atomkraft-Initiativen und die Ärzteorganisation IPPNW fordern deshalb nunmehr den Rücktritt von RSK-Chef Wieland, weil er diese Tatsachen der Öffentlichkeit bislang verschwiegen hat und auch jetzt nicht alle Karten auf den Tisch legt. Zudem fordern sie ein neues Gutachten von tatsächlich unabhängigen Wissenschaftlern, denn auch in der 16-köpfigen Gesamt-RSK sitzen drei aktuelle wie ehemalige Mitarbeiter von Framatome, bzw. dem früheren Eigentümer Areva.
Aktive und langjährige Areva-/Framatome-Mitarbeiter in der RSK
In besagtem RSK-Ausschuss sitzen konkret der EDF/Framatome-Standortleiter von Erlangen, Rainer Hardt, sowie die Erlangener Framatome-Mitarbeiterin Dr. Renate Kilian. Diese ist zudem Mitglied der 16-köpfigen Gesamt-RSK. Dort sitzen mit Uwe Stoll und Uwe Waas zwei weitere langjährige Mitarbeiter von Framatome bzw. der Vorgängerfirma Areva, welche die Atomstandorte Erlangen und Lingen bis zur Übernahme durch EDF Anfang 2018 betrieb.
Stoll ist heute technisch-wissenschaftlicher Geschäftsführer der ebenfalls an der RSK und dem Gutachten beteiligten Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Stoll und Waas haben 2012 ein Gutachten für ihren damaligen Arbeitgeber Areva zu den Folgen von Fukushima verfasst, in dem sie die Reaktorkatastrophe herunterspielen und darin primär neue Geschäftsmöglichkeiten für Areva entdecken. Eine Folge ist z. B. die 2016 erfolgte Beauftragung von Areva (jetzt Framatome) in Erlangen zur Modernisierung der Sicherheitsleittechnik für Doel 1 und 2. Stoll und Waas sind aufgrund ihrer beruflichen Biografie ebenfalls als befangen anzusehen.
Da die RSK mit einfacher Mehrheit und nicht-öffentlich entscheidet, sind auch einzelne Stimmen von großem Gewicht, zumal in dem besagten Ausschuss ohnehin fast nur Mitarbeiter von Atomkonzernen (EnBW, EON/Preussen Elektra) und den traditionell durch Aufträge eng verbundenen TÜV Nord/Süd sowie eben der GRS sitzen. Die alten Atomseilschaften innerhalb der RSK scheinen auch 7 Jahre nach Fukushima noch intakt.
“Es ist unglaublich, dass in der Reaktorsicherheitskommission leitende Mitarbeiter von Firmen wie EDF/Framatome über Reaktoren gutachten dürfen, deren Weiterbetrieb für die eigene Firma wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung ist. Da die RSK und der Ausschuss DKW schon seit 2012 mit der Materie beschäftigt sind, gibt es hier offensichtlich ein gravierendes Aufsichtsproblem. Wir fordern deshalb den sofortigen Rücktritt des RSK-Vorsitzenden Rudolf Wieland, weil er das glasklare Befangenheitsproblem nicht angegangen ist und selbst jetzt noch leugnet. Das Bundesumweltministerium muss nun die Stellungnahme der RSK offiziell zurückweisen und die RSK unter Ausschluss von aktuellen und ehemaligen Angestellten von Framatome/EDF/Areva grundlegend neu besetzen – d. h. mit kritischen und vor allem zweifelsfrei unabhängigen WissenschaftlerInnen. Die Begutachtung der gravierenden Sicherheitsprobleme bei Tihange 2 und Doel 3 muss neu angepackt werden,” forderte Jörg Schellenberg vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie.
“Brennelementexporte von Framatome Lingen nach Belgien sofort stoppen”
“Seit zwei Jahren haben wir u. a. mit renommierten Gutachten nachgewiesen, dass die unverantwortlichen Brennelementexporte von Lingen nach Belgien gestoppt werden können und müssen. Diese Forderung hat im aktuellen Koalitionsvertrag der Groko Einzug gehalten. Doch was macht das Bundesumweltministerium? Anstatt für einen Exportstopp zu sorgen, lässt es führende Mitarbeiter des Atomkonzerns und Brennelementeherstellers EDF-Framatome daran mitwirken, die belgischen Pannenreaktoren gesundzubeten, an denen EDF zudem selbst beteiligt ist. Dass der Einfluss von wirtschaftlichen Interessen auf die nukleare Sicherheit katastrophale Folgen haben kann, wissen wir seit der Atomkatastrophe von Fukushima. Das jetzige Verhalten des Bundesumweltministeriums ist ein Skandal. Ein Kurswechsel in Sachen RSK sowie ein sofortiger Exportstopp für Brennelemente aus Lingen und angereichertes Uran aus Gronau nach Belgien sind jetzt zwingend notwendig,” so Dr. Angelika Claußen von der Ärzteorganisation IPPNW.
Ein musikalischer Kommentar des Liedermachers Gerd Schinkel:
Quellen zur Pressemitteilung:
http://www.rskonline.de/de/satzung
http://www.rskonline.de/de/ausschuesse
http://www.rskonline.de/de/zusammensetzung
http://www.rskonline.de/sites/default/files/reports/epanlagersk503hp.pdf
http://www.rskonline.de/de/stoll
http://www.rskonline.de/de/waas
https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/umwelt/atomlobby_beeinflusst_politik.html
Weitere Pressemitteilung der Bürgerinitiativen vom Do, 19.07.
Neue Kritik an RSK-Befangenheit zu Tihange/Doel: +++ Atomkraftgegner entsetzt über Umweltministerin Schulze +++ RSK-Chef Wieland verwickelt sich in Widersprüche +++ Warum schweigt NRW-Ministerpräsident Laschet bislang?
Anti-Atomkraft-Initiativen aus NRW und Niedersachsen, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), die Ärzteorganisation IPPNW sowie der Naturschutzbund Nordrhein-Westfalen (NABU) sind entsetzt über die abwiegelnde Reaktion aus dem Bundesumweltministerium angesichts der Tatsache, dass Mitarbeiter Atomkonzerns EDF-Framatome an der Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission (RSK) zur angeblichen “Sicherheit” der beiden Pannenreaktoren beteiligt waren. EDF-Framatome ist auch an den belgischen Reaktorstandorten Tihange und Doel stark engagiert und Miteigentümerin der Reaktoren. Das herunterspielende Verhalten von Bundesumweltministerin Svenja Schulze trotz dieser gravierenden Ungereimtheiten und trotz der fundierten Kritik der Atomaufsicht in Baden-Württemberg ist völlig unangemessen. Das Bundesumweltministerium gibt selbst in seiner Antwort zu, dass eine eigenständige Überprüfung der AKW-Sicherheit gar nicht erwünscht war und ist. Dennoch wurde diese RSK-Stellungnahme öffentlich fälschlicherweise als Sicherheitsnachweis verkauft und die RSK von der Ministerin als unabhängiges Gremium gelobt, obwohl z. B. in dem federführenden Fachausschuss kein einziger kritischer Atomwissenschaftler sitzt.
“Wir erwarten von der Bundesumweltministerin, dass sie sich von der RSK-Stellungnahme distanziert und ein tatsächlich unabhängiges Gremium einberuft. Wertvolle Zeit ist verloren gegangen, weil unter den Augen und mit Billigung des Bundesumweltministeriums beruflich vollkommen befangene Angestellte von beteiligten Atomkonzernen an der brisanten Stellungnahme mitschrieben. Ohne Neuanfang ist das verlorene Vertrauen nicht zurückzugewinnen,” so Walter Schumacher vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie. “Und warum hüllt sich eigentlich der sonst so forsch auftretende NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bislang in Schweigen?” ergänzte Schumacher.
RSK-Chef Wieland sorgt für neuen Wirbel
Scharfe Kritik äußern die Anti-Atomkraft-Initiativen auch an den jüngsten Äußerungen des RSK-Chefs Rudolf Wieland. In den Aachener Nachrichten hatte er am Dienstag bestätigt, dass zwei EDF/Framatome-Mitarbeiter an der Ausarbeitung der RSK-Stellungnahme beteiligt waren. Am Mittwoch versuchte er sich jedoch selbst zu dementieren mit dem fadenscheinigen Verweis z. B. auf Krankheitszeiten der Framatome-Mitarbeiter.
Am 8. Juli hatten die Aachener Nachrichten zudem ein längeres Exklusivgespräch mit Wieland unwidersprochen mit der Überschrift versehen: “Studie: Belgiens Reaktoren sind sicher”. Gestern schrieb Wieland jedoch dem Leiter der Stuttgarter Atomaufsicht Niehaus laut Badischer Zeitung: “Weder die Kommission noch ich haben in Pressegesprächen eine Aussage zur Unbedenklichkeit oder Bedenklichkeit eines Weiterbetriebs der belgischen Reaktoren getroffen.” Welche Aussagen des RSK-Chefs sind ernstzunehmen und welche Wendung wird er morgen vollziehen?
Weitere Verwicklungen der RSK mit Belgien und Atomindustrie
Die Anti-Atomkraft-Initiativen weisen zudem darauf hin, dass auch mehrere weitere Mitglieder der RSK beruflich in bedenklicher Nähe der belgischen AKW-Betreiber und von EDF/Framatome agieren:
Erstens arbeiten mehrere Personen für EON/Preussen Elektra, u. a. der AKW-Leiter von Brokdorf, Uwe Jorden. EON ist Anteilseigner des Gronauer Urananreicherers Urenco, der wiederum angereichertes Uran für die belgischen AKW liefert und damit ebenfalls am Weiterbetrieb der belgischen Pannenreaktoren interessiert ist.
Zweitens ist auch die große Rolle des TÜV bedenklich. Der TÜV Nord – bei dem Wieland bis März 2017 beschäftigt war und der in Form von Thomas Riekert den betreffenden RSK-Fachausschuss leitet – wirbt unter dem Label “TÜV Nord Nuclear” explizit um internationale Kunden z. B. für den AKW-Neubau, und zwar nicht nur bei Genehmigungsbehörden, sondern konkret auch bei AKW-Betreibern und ‑Herstellern. Ein Gefälligkeitsgutachten der RSK kommt bei dieser Geschäftsstrategie sehr gelegen, da EDF und Engie-Electrabel große Player in der EU sind. Interessenkollisionen sind so nicht auszuschließen.
Und drittens war schon gestern herausgekommen, dass der langjährige Erlangener Areva-Angestellte Uwe Stoll seit 2016 technisch-wissenschaftlicher Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) ist. Die GRS spielt in der RSK ebenfalls eine wichtige Rolle.
“Von Unabhängigkeit ist in der RSK nicht viel zu sehen. Die wenigen atomkritischen Mitglieder sind nur ein Feigenblatt für die Öffentlichkeit. Das ist sehr bedenklich. Schließlich geht es hier nicht um das richtige Rezept für eine Obsttorte, sondern um die Sicherheit für Millionen von Menschen. Bei der Bewertung von Atomanlagen braucht es einen völligen Neuanfang. Dazu muss der RSK-Vorsitzende Rudolf Wieland seinen Hut nehmen, weil er die RSK auch sieben Jahre nach Fukushima als unkritisches, atomfreundliches Gremium betreibt,” so Kerstin Rudek von der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.
“Es zeigt sich, wie wichtig ein kompletter und umfangreicher Atomausstieg ist. Noch immer halten die wichtigsten Gremien des Bundesumweltministeriums an dem gefährlichen Luftschloss von der angeblich “sicheren Atomkraft” fest. Noch immer werden selbst die gefährlichsten Reaktoren in den Nachbarländern mit Brennelementen und angereichertem Uran aus Deutschland versorgt. Das ist unverantwortlich. Union und SPD müssen endlich die im Koalitionsvertrag verankerten Ziele eines Exportstopps für Brennelemente und angereichertes Uran sowie für mehr Atomsicherheit in der EU umsetzen, statt sich hinter einer zweifelhaften RSK-Stellungnahme zu verstecken,“ so Josef Tumbrinck, der Vorsitzende des NABU-Landesverbandes NRW.
Weitere Informationen:
www.stop-tihange.org, www.ippnw.de, www.sofa-ms.de, www.urantransport.de, www.antiatombonn.de, www.bi-luechow-dannenberg.de, www.nabu-nrw.de
Kontakt:
Jörg Schellenberg (Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie): Tel. 0157 – 74938099
Dr. Angelika Claußen (IPPNW): Tel. 0172 – 5882786
Matthias Eickhoff (Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen): Tel. 0176 – 64699023
Kerstin Rudek (BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg): Tel. 01590 – 2154831
Josef Tumbrinck (NABU NRW): Tel. 0171 – 3867379
Hi Gerd,
tolles Lied, Gratulation!
Lass uns beizeiten mal wieder gemeinsam einen Kaffee trinken gehen und über alles plauschen, okay?
Herzlichen Gruß,
Bettina
“Anti-Atomkraft-Initiativen und die Ärzteorganisation IPPNW fordern deshalb nunmehr den Rücktritt von RSK-Chef Wieland, weil er diese Tatsachen der Öffentlichkeit bislang verschwiegen hat und auch jetzt nicht alle Karten auf den Tisch legt. Zudem fordern sie ein neues Gutachten von tatsächlich unabhängigen Wissenschaftlern, denn auch in der 16-köpfigen Gesamt-RSK sitzen drei aktuelle wie ehemalige Mitarbeiter von Framatome, bzw. dem früheren Eigentümer Areva.”
Welch Freude! Demnach scheint der Wieland’sche Dolchstoß in Richtung Aachener Zeitung wohl nach hinten losgegangen zu sein? Tja, tja, wer eine Waffe gebraucht, muss wissen, dass diese auch nach hinten losgehen kann. Keine Worte vermögen meiner spitzbübischen Freude darüber so viel Ausduck zu verleihen, wie eine Melodie, die mir gerade im Kopf rumschwirrt 🙂
Passage of Time by Rachel Portman
aus dem Soundtrack des wunderbaren Filmes “Chocolat”
https://youtu.be/1fBsNn1XwkU